Sonntag, 3. Februar 2013

Eine haitianische Beerdigung

Ich war noch nie auf einer Beerdigung (wie gut ich es habe!), aber ich glaube ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster wenn ich sage eine haitianische Beerdigung ist sehr anders als eine deutsche.

Die Großmutter einer Schülerin von hier ist vor ein paar Tagen gestorben. Sie hat sich sehr darüber gefreut, dass wir gekommen sind.
Zunächst hieß es, die Beerdigung fange um 10 Uhr an. Heute Morgen wurde das dann kurzerhand auf 14 Uhr verschoben. Mit der Mentalität hier hätte ich als unspontaner Mensch wahrscheinlich meine Probleme.

Also waren wir um 14 Uhr an der haitianischen Kirche, vor der ein Pulk an äußerst aufgetakelten Menschen stand. Wer was auf sich hält als Frau trägt Stöckelschuhe, davon bleiben auch die Zweijährigen nicht verschont.
Am Eingang bekam man ein die Feier begleitendes Blatt in die Hand gedrückt. Das fand ich schon ziemlich deutsch. Das Interessanteste daran sind natürlich nicht die Lieder, sondern die Auflistung der Programmpunkte. Als feiererprobter Mensch habe ich nach einem kurzen Überfliegen schnell gemerkt, dass diese Beerdigung eine längere Sache werden würde.

Das fing schon damit an, dass keiner in Eile war, die Sache anzufangen. Gerade als wir bei den Toiletten waren... Hier muss ich kurz einen Zwischenbericht einschieben. Versteht man in Deutschland unter einer Toilette eine Porzellanschüssel in einem hellen, hygienisch reinen Raum mit ausreichend Beleuchtung, eine Spülung mit frischem, sauberem Wasser, eine Rolle Klopapier sowie mindestens drei Ersatzrollen, ordentlich über der Toilette aufgereiht, einem Toiletteneimer sowie einem Waschbecken mit feuchtigkeitspendender Seife und zum Höhepunkt Tücher aus Recyclepapier um die so reingewaschenen und gepflegten Hände sorgfältig zu trocknen, so ist in Haiti eine öffentliche Toilette nicht ganz eine Oase der privaten stillen Entspannung.
Ein Raum aus Betonwänden, ca. 1 Quadratmeter, eine Tür aus Wellblech die sich mit einem verrosteten Riegel immerhin verschließen lässt, dabei aber auch jegliches Licht ausschließt. Das war es auch schon im Großen und Ganzen. Ein Loch am unteren Ende einer Wand lässt erahnen, wohin man ungefähr zielen sollte, und wer es nicht sieht, riecht es.
Mein Fazit: seinen Zweck erfüllt diese Kabine, und ob ich mich nicht auf die Klobrille setze weil mir davor ekelt oder weil keine da ist, ist im Prinzip auch egal.
Draußen stand sogar ein Eimer und ein Stück Seife, um auch einem hygienebewussten Menschen keine Wünsche offen zu lassen.

Soviel dazu. Als wir also gerade bei den Toiletten waren, fing das Kreischen an. Wäre ich nicht vorgewarnt worden, hätte ich das vielleicht ziemlich gruselig gefunden, aber so ging es. Vor allem Frauen brüllten und schrieen, aber auch Männer stimmten mit ein.
Eigentlich keine schlechte Sache, seiner Trauer so Luft zu machen. Besser, als alles in sich hineinzufressen, oder?
Nur für die Kinder muss es ziemlich beängstigend sein. Sie stimmten dann auch beherzt in das Heulen mit ein.

Es muss gegen drei gewesen sein, als die Feier anfing und wir uns im hintersten Winkel der vollgestopften Kirche (ein paar Betonmauern mit einem Wellblechdach, nur um keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen) auf einer Schulbank niederließen.

Dann wurden Lieder gesungen, gebetet (sehr ausführlich)...
Mich hat ein bisschen beängstigt, dass die Frau, die neben mir saß und aufgrund der Enge sehr an mich gequetscht wurde, fortwährend in ihr Taschentuch nieste und hustete. Hoffentlich nur eine Erkältung oder so.

Die Programmpunkte wurden ab und zu von lautem Schluchzen, bis hin zu Heulen und hyperventillierendem Schreien unterbrochen. Ich weiß nicht, wieviel davon Show und Hineinsteigern ist, denn es war wirklich krass wie manche Frauen völlig außer sich waren, rechts und links gestützt werden mussten und hinausbegleitet wurden.

Wir sind vorzeitig gegangen, sonst wäre ich wohl jetzt noch lange nicht hier.
Es war auf jeden Fall sehr interessant... Aber die hysterischen Schreie, die mir wirklich sehr selbstdarstellerisch vorkommen, sind glaube ich nichts, was unserer Kultur unbedingt fehlt.

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