Sonntag, 2. Februar 2014

Immer mal wieder ein Weltuntergang

Freitag war kein guter Tag, und das habe ich schon morgens gemerkt. Gesundheitlich ging es mir schon direkt nach dem Aufstehen dreckig und dazu hatte ich einen straffen Zeitplan. 10 Uhr macht das Bastelgeschäft auf, schnell 20 graue Kartons und Klebeplättchen kaufen, dann zurück, die Arbeiten auf Karton aufziehen, vielleicht noch irgendwann was essen und dann los zur Mappenberatung.
Ich war schon die ganze Zeit extrem angespannt und hatte noch nicht einmal Zeit für meine Mitbewohnerin, die mit mir das Essen am nächsten Tag anlässlich meines Geburtstages planen wollte. Nicht ok.

Aber als ich letztendlich meine Arbeiten aufgezogen hatte und so betrachtete, fand ich, dass sie ziemlich vielfältig und sehr gut vorzuzeigen sind. Was ich bei der letzten Mappenberatung mitgenommen hatte ("Nimm ein Thema und zerpflücke das, analysiere es genauestens, beiß dich dran fest und zeig, wie individuell und kreativ du denkst.") hatte ich nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt.

Aber die Kritik war vernichtend, genau das, wovor ich Angst gehabt habe. Kaum eine Sache war ok, nichts hat sie vom Hocker gehauen, nichts hat das Interesse des Professors geweckt sodass er mich vielleicht schonmal im Hinterkopf behalten hätte. Ich möchte sie euch mal zeigen, diese Arbeiten, weil schon oft gefragt wurde und die Mappe zu groß ist, um sie viel durch die Weltgeschichte zu transportieren.

"Fotografie nicht das richtige Medium"
"Zu steif, weil immer aus dem gleichen B"

"Die Zeichnungen sind zwar sehr zurückhaltend, aber noch ok."
"Eine spannende Komposition, ich weiß aber nicht ob Sie das beabsichtigt haben."
Kein Kommentar.
"Technisch kann ich es nicht beurteilen, aber das Sujet ist zu kitschig!"


Kein Kommentar.

"Da haben Sie so viele Fotos raufgetan weil sie einzeln nicht stark genug sind."






"Teilweise zu einfach."

"Kindisch."

Danach musste ich erst einmal eine Weile Mama verrückt machen und habe mehr Taschentücher verbraucht als in den drei Monaten davor. Ich habe keine Perspektive gesehen, war verletzt weil die Arbeit von Wochen so abgeschmettert wurde und war auch sehr sehr wütend. Auf die, deren Arbeiten im Gesamten quasi komplett durchgewunken und für gut befunden wurden, auch wenn das manchmal für mich absolut nicht nachvollziehbar war. Auf den Professor, der auf mich manchmal den Eindruck machte als ob er willkürlich und sehr launisch seine Beurteilung abgibt, und so eine Arbeit aus Klecksen als Zeug, mit dem man ihn in Ruhe lassen solle deklariert und die andere Arbeit aus Klecksen sehr spannend findet.
Ich wollte alles sein lassen, weil es ja doch keinen Sinn hat, wenn ich nicht nachvollziehen kann, wie der Professor beurteilt und mir dementsprechend wohl etwas Bestimmtes im Sehen fehlt.
Gleichzeitig war ich vollständig aufgelöst weil ich keine Ahnung habe, was ich sonst im Leben machen kann wenn nicht Design.

Ich bin mittlerweile so darauf trainiert, jedes Werbeplakat, jedes Unternehmensdesign, jede Plastetüte genau zu betrachten und zu analysieren. Ich lese mir das komplette, fette Handbuch zu den letztjährigen Wahlplakaten der CDU durch, in denen bis aufs Kleinste die Farben, der Aufbau, die Schriftarten etc. mit einer Begründung festgelegt sind. Abends vor dem Schlafengehen lese ich über das Design des 20. Jahrhunderts und wenn man mir etwas Gutes tun will bittet man mich darum, eine Visitenkarte für jemanden zu gestalten. Ich möchte zu denen gehören, die mit Design Einfluss auf die Gesellschaft haben, Sachen besser und schöner machen, ich möchte die Leute überraschen, verwundern und zum Staunen bringen.
Ich möchte auch diese bekloppten Professoren zum Staunen bringen, jemand sein in dem sie Potential sehen und den sie gerne fordern und fördern!!! Ich möchte endlich mal wieder etwas schaffen, auf etwas stolz sein wie früher bei den Mathearbeiten, wenn sie gut liefen. Etwas vorzuweisen haben, nicht so (scheinbar?) ohne Ziel durchs Leben steuern und jedes Mal ins Stottern kommen wenn man mich fragt "was ich denn jetzt so mache". Ich möchte ein ganz normaler Student sein, in der Prüfungsphase nicht mehr ansprechbar und hinterher grenzenlos erleichtert.

Wenn das also nicht klappt, was mache ich dann? Was ist, wenn ich Anfang April keine e-Mail bekomme, oder gar Ende März nicht einmal auf der Liste für die Auswahlgespräche stehe? Es gibt noch die Möglichkeit Potsdam. Aber ansonsten... Inklusive Praktikum 7 Monate für etwas vergeudet und immer noch keinen Schritt weiter. Und keine Ahnung, was ich mit mir anfangen soll. Doch einen Kompromiss machen, die Schiene sicheren Job und festes Einkommen wählen, und dabei ewig darüber grübeln, wie es geworden wäre wenn...?

Ich muss sagen, ich war echt wütend auf Gott, ausgerechnet. Alle beten so viel, warum...? Sag mir doch endlich mal, wo es langgeht. Hast nicht Du diesen Wunsch in mein Herz gelegt, so sehr wie es mich dahin drängt? Warum muss bei mir immer alles so kompliziert sein?!

Es ist unglaublich, wieviele ermutigende Worte von Ferne und von Nah innerhalb kürzester Zeit an mich gerichtet wurden. Ihr habt mich wieder auf die richtige Spur gebracht, und die Gemeinschaft mit einigen von euch hat mir so gut getan.
Denn ja, natürlich, es ist noch nicht die endgültige Absage. Ich habe außerdem auch noch ein bisschen Zeit, um einiges noch geradezubügeln. Andere Professoren könnten vielleicht ganz anderer Meinung sein. UND: letztendlich entscheiden es nicht die Professoren. Und wenn Gott nicht will dass ich Kommunikationsdesign studiere, dann hilft es eben alles nichts. Wenn aber doch, dann wird es auch so kommen. Ich kann durch Panik, Hast und Arbeitswahn das Ergebnis nicht positiv beeinflussen.

Nach wie vor bin ich mir nicht ganz sicher, in welche Richtung ich in den nächsten 3 Wochen arbeiten soll, denn ganz klar wurde es mir nicht. Aber das ist mein Schlachtplan:
Ich werde mir trotzdem Arbeit suchen, damit die Mappe nicht das einzige ist, was ich in diesen Tagen mache.
Ich werde mir soviel Ratschläge wie möglich von verschiedensten Leuten holen, z.B. zwei überaus freundlichen Erstsemestlern die mir ihre Hilfe schon angeboten haben.
Ich werde viel lockerer und freier arbeiten, mir vielleicht demnächst auch noch mehr Zeichenutensilien wie Pastellkreiden, Aquarellfarben usw. zulegen, um die "rotzigen Zeichnungen" zu produzieren die sie so gerne sehen wollen.
Ich werde es lockerer nehmen. Es zumindest versuchen. Versuchen, nicht mehr so zu verkrampfen wie es im letzten Monat der Fall gewesen war und vielleicht sogar tatsächlich Spaß an der Arbeit zu haben. Und dann... liegt es nur in Gottes Hand. Und es wird gut sein. Auch wenn ich daran hart zu knabbern habe, so ist es.

Und deshalb geht es mir vielleicht sogar besser als vor dieser Mappenberatung. Denn ein bisschen habe ich losgelassen, und ein bisschen bin ich offener für Gott und seine Entscheidung. Ich habe begriffen, dass ich aus mir heraus nicht zu diesem Studium zugelassen werde, sondern nur mit Gottes Hilfe. Und ich habe wieder einmal gespürt, was für ein starkes Netz mich auffängt, wenn ich sehr sehr niedergeschlagen bin. Danke dafür an euch! Auch wenn ich im Moment sehr sehr unsicher, ein bisschen ängstlich und nur mit viel Willenskraft nicht panisch bin, möglicherweise komme ich ja so langsam auf den richtigen Weg - zur HTW oder woandershin.