Montag, 29. September 2014

Alpine Abenteuer - Tag 5

Tag 5: 9km, ca. 70m hoch, 770m runter

Die Hufeisentour war noch nicht beendet, nach dem Abstieg ins Dorf hätte man eigentlich nochmal auf den Berg und ein Stück weiter wandern sollen. Ich hätte Lust darauf gehabt, jetzt, wo das mit dem Übernachten so gut klappte. Aber es war doch vernünftiger, es nicht zu tun. Zum einen war ja Max' Schuh kaputt. Er riss sich die Sohle irgendwann ganz ab und war dann auf dem rechten Bein einen halben Zentimeter tiefer und dort ohne Profil. Außerdem war Max erkältet - seit Tagen war sein Niesen der Soundtrack zu unserer Wanderung. Am Vortag hatte er eine Tablette einwerfen müssen und Kopf- und Lungenschmerzen gehabt. Noch eine Nacht im Freien wäre wohl das Letzte gewesen, was er gebraucht hätte. Auch das Wetter war nicht so überragend, dass man unbedingt noch einmal hätte auf den Berg steigen müssen. Wir entschlossen uns also, endgültig abzusteigen - schweren Herzens.
Unsere dritte und letzte Konstruktion
Also wurde die Plane zum letzten Mal im Rucksack verstaut und das Müsli ein letztes Mal angerührt (Max  aß es mittlerweile trocken, so sehr ekelte ihn vor dem Babybrei). Wie jeden Morgen war es auch an diesem sehr kalt, aber der Gedanke, am Abend schon wieder in einer richtigen Wohnung sitzen zu dürfen war erleichternd und ließ alles gut aushalten.
So ging es abwärts mit uns, begleitet von der Sonne, die über den Berg kam und das Tal zunehmend aufheizte. Die Gegend wurde immer freundlicher und uns war schon bald richtig heiß. So warm kann es also sein!
Die Sonne erreicht das Tal
Unterwegs trafen wir auch noch die mysteriösen Menschen, die die Markierungen malen nach denen wir uns den ganzen Weg lang gerichtet hatten und die uns auch in der abgeschiedensten Ecke zuverlässig den Weg wiesen: mit einem Korb und je einem Eimerchen mit weißer und roter Farbe malte ein älterer Herr einen Baumstamm an, sein Begleiter hatte eine Säge dabei und entfernte störende Äste.
Am frühen Nachmittag standen wir an der Bushaltestelle und traten den Heimweg an. Wir freuten uns auf eine richtige Dusche und all den anderen Luxus, den das moderne europäische Leben mittlerweile so bietet. Ein bisschen trauerte ich aber auch den Tagen auf dem Berg, abseits allen Lärms und aller Hektik, hinterher. Mich hat definitiv der Outdoor-Virus gepackt: sich einfach draußen hinzulegen und zu schlafen, den Körper ausschließlich durch die eigenen Muskeln zu wärmen und alles auf dem Rücken zu haben, was man braucht ist so einfach und faszinierend. Auch wenn es mir schwer fiel, nicht ständig auf dem Laufenden zu sein und möglicherweise Weltbewegendes zu verpassen weil ich kein Handy mit Internet bei mir hatte, war das genauso eine Erholung und hat dazu beigetragen, dass die Wanderung etwas ganz besonderes wurde. Möglicherweise wird im Nachhinein auch vieles verklärt und romantisiert was man nicht mehr so genau in Erinnerung hat; besonders die erste Nacht war so schrecklich dass ich darauf gut hätte verzichten können und in den darauffolgenden Nächten hatten wir schon wirklich Glück, dass es nicht mehr ganz so stark geregnet hat. Dennoch bleibe ich dabei: es wird nicht mein letzter Outdoor-Urlaub gewesen sein und ich bin froh, dass ich diese Erfahrung machen und erkennen durfte, dass es möglich ist. Auch auf 2300m Höhe, und auch bei 0 Grad. Genauso wie es möglich ist, jeden Tag zu wandern, immer weiter und immer höher, mit Gepäck. Oder ein paar Tage auf die Dusche zu verzichten. Oder auf die Heizung.
Es war eine gute Zeit. Ich kann es nur weiterempfehlen!

Bonus: Tagestour auf dem Meraner Höhenweg 

Da ich ja damit gerechnet hatte, dass wir die gesamte Hufeisentour laufen und dementsprechend länger dafür brauchen werden, hatte ich die Rückfahrt erst für Dienstag gebucht. Samstag waren wir abgestiegen, also hatten wir nach einem Ausruh-Tag den Montag noch frei für eine Extra-Wanderung. Das haben wir ausgenutzt, besonders da das Wetter enorm gut war.
Wieder nahmen wir 1000 Höhenmeter in Angriff und kamen ordentlich ins schwitzen. Allerdings war diese Bergwelt eine ganz andere, als die die wir vorher kennengelernt hatten und ich war froh, dass wir den Meraner Höhenweg nur für einen Tag bewanderten. Es ist viel touristisierter, dort wo wir waren fuhren mehrere Seilbahnen hoch und dementsprechend viele Rentner und gelangweilte Urlauber traf man. Man hatte kaum mal drei Minuten Ruhe, musste ständig grüßen und aus dem Weg gehen. Das Durchschnittsalter der oben verweilenden Menschen hatten wir drastisch gesenkt. Immerhin konnten wir eine bombastische Aussicht genießen und eine Sonne, die vom strahlend blauen Himmel auf uns herunterknallte.
Es hat Spaß gemacht und der Wanderweg war auch schön, vor allem später, als er etwas schmaler direkt am Berg verlief. Aber für eine ganze Woche wäre es nichts für mich gewesen, und ich bin sehr froh, dass wir uns für die Hufeisentour entschieden haben, in einsamer, rauer Gegend.
Wieder wanderten wir 7 Stunden und waren am Abend fix und fertig, mit noch einigen Bildern und Eindrücken mehr im Gepäck. Ziel erreicht!


Postkartenmotive - beinahe langweilig
Am nächsten Tag ging es für Max und mich um 5 Uhr in der Früh zurück, erneut 16 Stunden Fahrt.
Damit geht die letzte Etappe vor dem Studienbeginn für mich zu Ende - in nicht einmal zwei Wochen geht es los. Nach 6 Monaten Pause ist das unheimlich und wunderbar gleichzeitig. Ich freue mich darauf und bin nervös. Ich hoffe, dass meine Kommilitonen wirklich nette Menschen sein werden, dass der Unterricht interessant sein wird und dass es einfach genau das richtige ist. Der Anfang ist immer so schwer... Es ist auf jeden Fall erleichternd zu wissen, dass Gott dabei sein wird und somit eigentlich nichts mehr schiefgehen kann. Zur Sicherheit könnt ihr ja trotzdem noch einmal für den Start beten :) Danke euch!

Sonntag, 28. September 2014

Alpine Abenteuer - Tag 4

Tag 4: 15,3km, 900m hoch, 1220m runter

Als wir aufstanden froren wir wieder einmal wie die Schneider. Aber es war blauer Himmel zu sehen! Zum ersten Mal seit Tagen gab es Fetzen in der Wolkendecke und der Nebelwand.
Mittlerweile routiniert rührten wir unser Essen zusammen und bauten unser Zelt ab. Die Aussicht auf möglicherweise besseres Wetter bescherte uns gute Laune und wir wanderten guten Mutes los.
Tatsächlich dauerte es nicht allzu lange, bis uns die ersten echten Sonnenstrahlen erreichten. Es war eine faszinierende Stimmung zusammen mit dem sich auflösenden Nebel.
Der Tag als der Nebel verschwand
Um die Mittagszeit durften wir einen wunderschönen Weg am Grat entlanglaufen. Es machte so einen Spaß! Wir konnten auch endlich tief hinunter ins Tal blicken und die Aussicht genießen. Dann sahen wir die Passstraße und hörten röhrende Motorräder - Zivilisation. Nach der Abgeschiedenheit der letzten Tage gar nicht so schlecht, wobei sie mich früh genug schon wieder nervte.
Gratwanderung
Im Alpenrosenhof am Penser Joch aßen wir Mittag. Da die Hütte direkt an der Passstraße liegt, kehren dort extrem viele Motorradfahrer ein. Schreckliche Zeitgenossen - sie stolzierten alle in die Gaststätte und waren unglaublich stolz darauf dass sie es auf ihren zwei Rädern dort hoch geschafft hatten. Was ist das denn für eine Leistung?! Uns hat man angesehen, dass wir schon länger draußen unterwegs waren und wir haben unseren Dreck, unsere riesigen Rucksäcke und unsere zig Lagen Klamotten mit Würde getragen und mit ebenso viel Würde unsere verranzten, kaputten Plastikflaschen auf der Toilette wieder mit Trinkwasser aufgefüllt. Über eure Motorräder kann ich doch nur lachen!
Nach dem Mittagessen waren wir extrem müde und glaubten gar nicht, dass wir nochmal in Schwung kommen würden, trotzdem sind wir hinterher nochmal genauso weit gewandert. Wieder am Grat entlang, direkt über der Passstraße. Irgendwann musste ich pinkeln und es war so lustig: hoch oben über allen, gefühlt auf dem Präsentierteller saß ich und sah den Autos und Motorrädern zu. "1000 Meter über allen anderen pinkeln gehen" - hätte ich es nicht schon getan würde ich es auf meine Lebens-To-do-Liste schreiben.
Wir kamen schließlich ziemlich weit oben an zwei Seen an, von denen wir auf der Karte dachten dass sie in einer Gegend seien, wo man gut übernachten kann. Es war allerdings viel zu windig und steinig, sodass wir uns entschlossen, doch noch über den Berg zu wandern und dann den Abstieg hinter uns zu bringen, vor dem ich schon lange Angst hatte. Was folgte, war zunächst das Gerölljoch - ein riesiges Steinfeld an einem Teil des Berges, wo keine Sonne hinkommt. Uns schloss wieder der altbekannte Nebel ein, die Gegend war ohne jedes Leben, wir kletterten lange über Steine scheinbar ohne vorwärts zu kommen. Sogar an einem Schneefeld sind wir vorbeigelaufen. Es war wirklich ungemütlich und da der Nachmittag schon fortgeschritten war machte ich mir langsam Sorgen, ob wir rechtzeitig einen Übernachtungsplatz finden würden. Das Outdoor-Leben hat seinen speziellen Rhythmus: da man vor Einbruch der Dunkelheit alles erledigt haben sollte, drehen sich die Gedanken schon ab drei Uhr nachmittags nur noch um den Schlafplatz. Und weil es ab kurz nach acht stockfinster ist, kommt man auch nicht mehr auf die Idee, um diese Uhrzeit etwas anderes zu tun als zu schlafen.
Als wir das Gerölljoch endlich hinter uns gebracht hatten, wartete der Abstieg, der auch in der Karte nicht mehr als Weg, sondern nur noch als Steig eingezeichnet war. Es war steil und steinig. Mit höchster Konzentration, ganz langsam und vorsichtig wagten wir Schritt für Schritt. Immer wieder verlor man den Halt, man klammerte sich krampfhaft an die großen Steine die wirklich fest und nicht, wie scheinbar alles andere, im rutschen waren. Es war wieder eine Situation, die ich gerne übersprungen hätte, aber auch hier hat Gott uns bewahrt und uns sicher nach unten gebracht. Es war ein erhebendes Gefühl, nach der Steinwelt dort oben wieder grüne Wiesen zu sehen und dann sanft ins Tal abzusteigen. Außerdem ging genau in diesem Moment Max' Schuh kaputt, die Sohle löste sich. Er konnte das Bein beim laufen nur noch hinter sich herziehen. Wie gut, dass es nicht bei dem gefährlichen Abstieg passiert war!
Nach dem schwierigen Abstieg "grüne Auen"
In diesem Tal lagerten wir dann wirklich und verwirrten damit einige Murmeltiere, in deren Gebiet wir ohne zu Fragen eindrangen. Außerdem war es ziemlich schwierig, 2x3 Meter ohne Kuhhaufen zu finden, aber auch das hat mehr oder weniger geklappt. Lediglich das Gefälle war etwas stark, sodass wir in der Nacht ständig auf der Isomatte nach unten rutschten, man durfte sich mal wieder nicht bewegen. Aber da unsere Ansprüche an einen Übernachtungsplatz sehr gesunken waren war das alles nicht mehr so schlimm.
An diesem Abend habe ich mich in dem Gebirgsbach gewaschen, der da vorbeifloss. Er war so eiskalt, dass ich meine Beine gar nicht mehr gespürt habe als ich drin stand, und den Kopf unter das fließende Wasser zu halten war eine echte Überwindung. Aber hinterher war mir wohlig warm und ich stolz wie Bolle. "Waschen in einem Gebirgsbach": abgehakt!
Nach unserem altbekannten Müsli-Babybrei-Misch, der mittlerweile nicht mehr auf ganz so viel Begeisterung stieß (bei mir schon!) betteten wir uns zur Ruhe und genossen den letzten Abend im Freien.

Samstag, 27. September 2014

Alpine Abenteuer - Tag 3

Tag 3: 12,3km, 870m hoch, 790m runter

Schon den ganzen vorherigen Nachmittag hatte ich mich auf das kommende Frühstück gefreut. Es war streng von 7:30 Uhr bis 8:00 Uhr terminiert, und so stand ich um viertel acht ungeduldig vor der Tür des Frühstücksraums. Ich finde das Frühstück ist einfach die beste Mahlzeit des Tages!
Dann durften wir es uns auch wirklich schmecken lassen. Jeder bekam ein Brötchen und zwei Scheiben (wahrscheinlich selbstgebackenes) Brot, das unglaublich lecker war. Dazu Aufschnitt und Marmelade, Honig und Südtiroler Nutella-Verschnitt. Für die ganz scham- und skrupellosen (also mich) stand zusätzlich auch noch Müsli und Cornflakes bereit. Zu trinken gab es warme Milch, die im Kaffee-Automat auch noch aufgeschäumt wurde. Traumhaft, dieser Milchschaum!!
Außerdem durften wir uns noch einen knackig grünen Apfel mitnehmen, endlich wieder etwas Frisches.
Dann packten wir alle unsere Sachen wieder ein, die wirklich trocken geworden waren. Als ein fetter Weberknecht über den Boden stolzierte, wusste Timon auch, was ihm in der Nacht die Beine hoch und runter gekrabbelt war.
Dann ging es los - wieder in dickem Nebel, aber in bester Stimmung.
Es ging zunächst ziemlich bergab und der Weg war sehr steinig und schmal. Dadurch, dass alles so feucht war, hatte man kaum Halt. Durch den Nebel konnten wir wenigstens netterweise nicht sehen, wie tief es den Abhang neben uns hinunterging. Wie in den letzten Tagen wanderten wir in kompletter Einsamkeit und trafen keinen Menschen. Die Gegend war karg, die Baumgrenze hatten wir schon am ersten Tag überschritten.
Ich mochte dieses stille, gedankenlose Wandern total. Nichts hat einen abgelenkt, man konnte nachdenken oder auch nicht. Man war immer in Bewegung, ist einfach gelaufen und gelaufen. Man musste nichts anderes tun. Es war kühl, aber spätestens nach dem nächsten Aufstieg war der Körper wieder gut gewärmt. Ganz von allein, ohne die Hilfe von irgendwelchen Heizungen o.ä. Es war so unglaublich still, der Nebel hat alles gedämpft. Wir dachten nur von Wegmarkierung zu Wegmarkierung.

Nur der Berg und wir
Alles ist feucht und kühl
Schließlich kamen wir an eine etwas heiklere Stelle, der einzige auf der ganzen Wanderung an der am Rand ein Seil gespannt war. Ich glaubte erst nicht, dass wir da wirklich hinüber kommen würden, aber es gab ja keinen anderen Weg. Also hangelten wir uns vorsichtig über die rutschigen Steine, die auch noch sehr steil waren, am Abhang entlang. Es hat funktioniert, niemand hat sich etwas getan - und weiter gehts.

Riskante Kletterei
Dass an diesem Tag überhaupt nichts passiert ist, sich nicht mal jemand von uns den Knöchel verstaucht hat, ist für mich ein echtes Wunder. Wir wanderten kilometerweit über Steinfelder, wo man bei jedem Stein erst wenn man darauf steht feststellt, ob er locker ist oder nicht. Außerdem waren die meisten mit gelbem Moos überzogen, die sie wahnsinnig rutschig machten. Aber es ging alles gut.
Inmitten dieses Steinfelds kamen wir dann an einer Metallplatte vorbei, die an jemanden erinnerte, der dort verstorben war. Es war ein unheimlicher Moment, verstärkt durch diesen Nebel und die Stille.
Wir befanden uns auf 2500m Höhe und am Nachnmittag kamen wir an die Flaggerscharten-Hütte, die nur per Hubschrauber beliefert werden kann. Wir hatten schon lange überlegt, ob wir uns wieder eine Übernachtung im Lager leisten sollten oder es uns sparen könnten. Es war eine sehr alpine Gegend, und das Thermometer an der Hütte zeigte 4 Grad an. Keine idealen Bedingungen um zu zelten, und die vorletzte Nacht war uns noch in schlimmer Erinnerung.
Wir beschlossen, erst einmal nach dem Preis zu fragen. Mit Studentenrabatt betrug der 40€ - ganz schön viel. Wir gingen wieder vor die Tür und beratschlagten uns. Da kam die Wirtin heraus zu uns und lud uns erstens ein, uns drinnen zu beratschlagen, und bot uns zweitens an, vor der Hütte zelten zu dürfen, falls wir das wollten. Es war eine richtig freundliche, junge Frau, die ganz begeistert davon war, dass immer mehr Leute in den Bergen zelten. Als wir sagten, dass wir möglicherweise auch noch ein bis zwei Stunden laufen würden, beschrieb sie uns sofort eine Gegend, die ideal zum zelten sei, mit Wasserbächen und ebenen Flächen.
Von ihr so ermutigt, entschieden wir uns also für eine weitere Nacht im Freien. Für den tollen Tipp aßen wir noch etwas in der urigen, gemütlichen Hütte und wärmten uns auf. Es gab eine Pfanne Apfelschmarrn für uns alle, für den wir am Ende auch noch einen "guten Preis" von der Wirtin, nämlich gerade einmal 15€ für alles bezahlten. Beschwingt von der Freundlichkeit dieser Wirtin machten wir uns wieder auf. Wir hatten eine weitere Scharte zu bezwingen, über einen sehr schmalen Weg aus rutschender Erde. Es war meistens nicht viel mehr als ein Absatz am Hang, gerade breit genug um kurz darauf zu treten.
Auf der Spitze begegneten wir dann einer kompletten Schulklasse - glücklicherweise dort oben, wo wir eine Weile ausweichen konnten! Schnaufend passierten uns die ca. 17-18 Jährigen, wobei sich einer ihrer Lehrer wunderte, warum wir noch so spät in dieser Gegend unterwegs seien, wo doch in der Richtung so bald keine Hütte komme, und eine andere Lehrerin uns fragte, warum wir so blöd da rum stehen, bis ihr aufging, dass wir gar nicht zu ihrer Gruppe dazugehörten.
Danach ging es ein gutes Stück abwärts, bis wir dorthin kamen, wo wir unser Lager aufschlagen wollten. Wir waren immerhin nur noch auf 2300m Höhe, trotzdem noch ganz schön viel zum Übernachten im Freien. Aber es war tatsächlich eine ideale Stelle.

Zwischen zwei Bächen ein schöner Platz zum Lagern
Die zweite Konstruktion, eine umfassende Verbesserung
Wir bauten wieder die Plane auf und hatten diesmal aus unseren Fehlern gelernt. Was wir an diesem Nachmittag aufbauten, hielt tatsächlich so die ganze Nacht, und auch wenn wir die Plane in den Gesichtern hängen hatten weil es nach hinten ganz schön tief wurde, habe ich mich wesentlich geschützter und besser gefühlt als in der ersten Nacht. Es war wieder enorm kalt, aber mit zwei T-Shirts, einem dünnen und einem dicken Pullover habe ich es im Schlafsack gut ausgehalten. In dieser Nacht regnete es nur wenig und auch der Wind hielt sich in Grenzen. Endlich erfolgreich draußen geschlafen!

Freitag, 26. September 2014

Alpine Abenteuer - Tag 2

Tag 2: 12,1km, 510m hoch, 430m runter

Endlich war es wieder hell. Uns war eisekalt. Es war nur Nebel zu sehen. Alles war feucht oder zumindest klamm. Die Knochen taten weh, von der vorherigen Tour und den unbequemen Schlafpositionen. Wir waren müde. Ziemlich wortlos brachten wir all unsere Sachen in die Kapelle und bereiteten sie da notdürftig zum Trocknen aus. In der Kapelle war Bauschutt, und alles war bald von einer weißen, hartnäckig klebenden Dreckschicht überzogen. Bei jedem Griff taten die kalten Finger weh. Wir rührten uns unser Essen zusammen* und schlangen es missmutig hinunter.
Keiner sagte etwas, aber hätte einer angefangen und ausgesprochen was alle dachten, nämlich dass niemand mehr Lust auf die Tour hat, hätten wir sicherlich abgebrochen. So aber packten wir nach einer halben Stunde alles zusammen, natürlich war noch nichts getrocknet, und brachen auf. Die nächste Etappe, und lieber nicht zu genau nachdenken über den Abend! Vielleicht kann man ja auf einer Hütte übernachten.
Es war den ganzen Tag neblig und ging ziemlich eben auf einem breiten Wanderweg entlang. Langweilig! Wir hatten keine gute Laune. Unser Mittagessen aßen wir irgendwann schnell im Stehen am Weg, weil alles nass war und man sich nirgendwo hinsetzen konnte. Immerhin wurde uns beim Laufen wieder einigermaßen warm, ein schönes Gefühl.
Ziemlich eintöniger Weg
Am Schluß ging es noch einmal ein bisschen aufwärts
 Am Nachmittag kamen wir an der Latzfonser Kreuz-Hütte an, die auf 2300m neben einer Kirche, dem höchsten Wallfahrtsort in Europa, liegt. Wir hatten uns mittlerweile entschieden, uns diese eine Nacht auf der Hütte zu gönnen, auch wenn es teurer werden würde als vorher kalkuliert. 24€ für eine Übernachtung mit Frühstück sind ja aber auch noch vertretbar. Und es war so gut investiertes Geld!
Schutzhütte am Latzfonser Kreuz
Etwas zaghaft kamen wir dort an und fragten, ob noch drei Betten im Matratzenlager frei seien. Ja!
Und so genoßen wir in den kommenden Stunden ungeahnten Luxus. Es war warm, es war trocken. Wir hatten drei Betten in einer Ecke des Lagers, und alle anderen Betten um uns herum blieben für diese Nacht auch frei. Also hatten wir Ruhe. Außerdem echte Toiletten, und Waschbecken mit fließendem Wasser. Wir konnten uns waschen!! Meine Freude über diese Waschbecken kannte kaum Grenzen. Ich wusch erst mich, dann meine Kleidung, dann meine Haare. Und dann hingen wir alles an Wäscheleinen und -ständern auf. Es war überragend! Alle Probleme, die im Laufe der letzten Nacht entstanden waren und uns so sehr aufs Gemüt drückten, wurden gelöst.

Im Matratzenlager - Alle Wäscheleinen wurden ausgenutzt
Am Abend ließen sich die Jungs auch noch einen Nudelteller schmecken, ein weiterer Stimmungsaufheller. Dann spielten wir ganz gemütlich Karten auf unseren Betten, ohne Angst vor Wind und Regen haben zu müssen. Normalerweise hätten wir vom Latzfonser Kreuz auch eine großartige Aussicht haben können und sogar die Dolomiten sehen sollen, aber das blieb uns durch den Nebel verwehrt. Mir machte das nichts mehr aus, ich war selig. Gegen Abend kam eine Wandergruppe von Frauen an, die auch im Lager schliefen. Aber sie waren so mucksmäuschenstill, niemand hat geschnarcht oder auch nur laut geatmet! Ich habe herrlich geschlafen.

*Das Essen:

Eine Wanderung ist eine besondere Herausforderung an den Körper. Man benötigt enorm viel Energie. Da man aber alles Essen tragen können muss, benötigt man Nahrungsmittel, die sehr energiereich (viele Kohlenhydrate!) sind, nicht so schnell verderben und nebenbei noch möglichst leicht sind.Weil wir kein Kochgeschirr mitschleppen konnten, musste sich alles auch kalt zubereiten lassen.
Ideal sind Haferflocken/Müsli, Vollkornbrot, Müsli-Riegel, Nüsse, Trockenfrüchte.
Wir haben uns ein etwas eigenes Menü zusammengestellt: jeder hatte eine fette Tüte Müsli dabei, das wir mit Babybrei aus Pulver gelöffelt haben. Babybrei, weil Milchpulver so teuer ist und auch nicht unbedingt gut schmeckt, außerdem ist viel Zucker im Brei und es gibt eine Menge unterschiedlicher Sorten. Ich fand diese Kombination richtig lecker, die anderen konnten sie gegen Ende der Wanderung  nicht mehr sehen.

Anrühren des Babybreipulvers mit Wasser - eine echte Wissenschaft, um die richtige Konsistenz zu finden!
Zusammen mit Müsli eine, wie ich finde, schmackhafte Mahlzeit. Die Meinungen gehen auseinander.
Timon hatte außerdem Vollkornbrot und ein Stück Käse dabei, darauf war Max irgendwann sehr neidisch. Als Energielieferant in kleineren Pausen haben sich die Müsli-Riegel sehr bewährt, die jeder dabei hatte. Genauso wie kleine Salamis, die nicht gekühlt werden müssen. Eine Magnesium-Tablette am Tag hat die Nährstoffzufuhr abgerundet.

Donnerstag, 25. September 2014

Alpine Abenteuer - Tag 1

Es fing alles an einem Küchentisch an, kurz bevor ich losmusste, aber nicht so kurz als dass man nicht noch ein bisschen hätte plaudern können. Warum auch immer, aber man kam auf das Reisen, und ständig fiel der Satzteil "man müsste echt mal...". Wir träumten von Roadtrips, einer Tour per Anhalter, Wanderurlauben. Osteuropa, Finnland, Norwegen, dem Süden...
Diese "Spinnereien" wurden im Laufe der folgenden Wochen und Monate zu einem handfesten Plan. Aus Norwegen wurde über Kroatien Südtirol. Aus dem Roadtrip eine Wandertour. Aus "man könnte mal" wurde "wir machen".
Und so können mein Cousin Timon, mein Bruder Max und ich jetzt mit Stolz auf ein echtes Abenteuer zurückblicken. In 5 Tagen sind wir 60 Kilometer auf der Hufeisentour in den Sarntaler Alpen gewandert, haben dabei jeweils 12-15 Kilo schwere Rucksäcke mit uns getragen, hauptsächlich im Freien übernachtet und Wind und Wetter getrotzt, die es wirklich nicht gut mit uns meinten. Es war eine Herausforderung, und oft hatten wir das Gefühl, an unsere Grenzen zu stoßen. Und das ist für mich die vielleicht größte Erkenntnis: auch bei Kälte, Nässe, Erschöpfung, dickstem Nebel, schmalen Steigen und schwindelerregend tiefen Abgründen geht es weiter. Wenn man wieder vor einem scheinbar unüberwindlichen Wegstückchen steht, mit Gottes Hilfe und Bewahrung kann ich es gehen und hinterher sogar darüber lachen, wie die Definition von "Wanderweg" immer weiter abbaut.
Es war teilweise wirklich gefährlich und wir sind dankbar dafür, dass viele Menschen an uns gedacht und für uns gebetet haben. Und dass unsere Eltern erst jetzt sehen, wo wir langgeklettert sind :) (oder auch gar nicht, weil man in entsprechender Situation nicht unbedingt ans Fotografieren denkt)

Tag 1: 11,3km, 1600m hoch, 410m hinunter


Nach 15-stündiger Reise am Vortag mit Bus und Bahn nach Südtirol standen mein Cousin Timon, mein Bruder Max und ich also vorletzten Dienstag vor dem Berg, den wir an diesem Tag erklimmen wollten. Das Wetter war herrlich und auch die ganze letzte Woche so gewesen, wir waren gut gelaunt, beinahe ausgeschlafen und verdrängten das Gefühl kommender Schmerzen, das die eben erst aufgesetzten Rucksäcke schon verursachten. Nach wochen- und monatelangem Planen waren wir ziemlich sicher, alles eingepackt zu haben und gerüstet zu sein für das Outdoor-Erlebnis.

Mit roher Gewalt gingen die vollgestopften Rucksäcke auch zu

1500 Höhenmeter standen an diesem Tag auf dem Programm und voller Tatendrang packten wir es an. Dabei lief uns der Schweiß schon nach wenigen Minuten in Strömen über das Gesicht. Ich mag das, wenn man spürt, dass man richtig was tut und sich anstrengt. Auf den Schweiß folgte bald der Geruch, der uns die nächsten Tage kaum noch von der Seite weichen sollte. Zum Glück trifft man in dieser einsamen Bergwelt kaum mal einen Menschen!

Zunächst ging es noch durch grüne Wälder
Schließlich wurde es steiniger
Bis wir über echte Geröllfelder kletterten
Wie auf dem Wegweiser prophezeit, dauerte es tatsächlich gute 4 Stunden, bis wir oben waren. Was für ein Gefühl, am Morgen noch vor diesem riesigen Massiv zu stehen und am Nachmittag von oben herunter zu schauen! Wobei wir beim Herunterschauen nicht so sehr viel sahen, es herrschte dicker Nebel, nachdem wir auf dem Weg schon von einem Regen- und einem Hagelschauer überrascht wurden.

Die Nebelwand kam schnell und gründlich
Die letzten Meter zum Gipfelkreuz
Oben angelangt zu sein, reichte uns nicht. Wir wanderten noch zwei Stunden weiter, ehe wir uns neben einer kleinen Kapelle, die gerade umgebaut wurde, unseren ersten Schlafplatz im Freien suchten.

Hinter dieser Kapelle lagerten wir
Es fühlte sich komisch an, einfach eine Plane mitten auf dem Berg aufzubauen und nun darunter schlafen zu wollen. Außerdem fing es an zu regnen, und wie schon seit einiger Zeit war von fern Donnergrollen zu hören. Unheimlich! Trotzdem waren wir, als wir endlich fertig organisiert und nicht gesättigt, aber auch nicht mehr hungrig, in unseren Schlafsäcken eingemummelt da lagen, richtig guter Dinge. Wenn wir gewusst hätten...!
Als es dunkel war, fing es richtig an zu regnen. Und wurde immer schlimmer. Es prasselte auf unsere Plane, dass an Schlaf überhaupt nicht zu denken war. Der Wind pfiff durch unsere Konstruktion hindurch, sodass alles was nicht in den Schlafsack passte erbärmlich fror. Blitze zuckten über den Himmel, und auch wenn das Gewitter weit weg zu sein schien, bereitete mir das am meisten Sorge. Was machen wir, wenn das Gewitter näher kommt? Wir haben keinen Ort, wo wir hingehen können, auch die Kapelle besitzt keinen Blitzableiter. Ich wünschte mir nur sehnlichst den nächsten Morgen herbei, dabei war es nicht mal 22 Uhr und das Schlimmste kam erst noch.
So richtig lustig wurde es einige Zeit später, als wir langsam mitbekamen, dass die Rettungsdecken, auf denen unsere Isomatten lagen, komplett nass waren. Da wir am Hang lagen, blieb es nicht dabei - regelrechte Bäche floßen über die Rettungsdecken, unter unseren Isomatten auf unsere am Fußende gelagerten Rucksäcke. Probeweises Testfühlen bestätigte schlimmste Befürchtungen: es war einfach alles komplett durchgeweicht. Wechselklamotten, Portemonnaie und Handy, ALLES! Der Stolz über den erklommenen Berg und die Abenteuerlust waren komplett verraucht und die Laune am Tiefpunkt. Hätte ich nichts anderes zu tun gehabt und Strichliste über die im Laufe der Nacht laut oder leise von sich gegebenen "Scheiße!" geführt, ich wäre sicherlich auf erstaunliche Ergebnisse gekommen.
Es schlief niemand von uns, jeder versuchte, so viel zu retten wie möglich war oder sich einfach überhaupt nicht mehr zu bewegen, damit wenigstens das Stückchen Isomatte unter dem Rücken das noch trocken war auch trocken blieb. Timon gab das Liegen irgendwann ganz auf und saß nur noch. Ich musste dringend aufs Klo und fand keinen Moment, in dem es mal nicht so stark regnete und ich hätte rausgehen können. Man hatte schlimme Krämpfe in den Beinen, weil man so stocksteif da lag und die Position kaum verändern durfte. Ich hatte Angst um meine Kamera und legte sie auf die Isomatte, sodass ich selbst zum Teil im Wasser lag.
Es war noch nicht genug. Das dröhnende Geräusch eines über dem Tal kreisenden, suchenden Hubschraubers war Anlass zur nächsten Panikattacke: wir waren am Abend noch schnell hinunter auf eine Alm gewandert und hatten unser Trinkwasser aufgefüllt. Die dortige Wirtin hatte uns besorgt gefragt, ob wir uns denn verlaufen hätten. Wir sagten "Ne!" und gingen wieder zurück auf den Berg. Wir malten uns erschreckt aus wie die Wirtin die Bergwacht anruft weil sie drei unerfahrene Jugendliche bei Gewitter in eine Richtung hat gehen sehen, in der lange Zeit nichts mehr kommen würde. Suchen die uns? Gibt es gleich mächtig Ärger?
Es dauerte lange, bis der Hubschrauber abdrehte und wir uns beruhigen konnten. Hätten sie wirklich uns gesucht, hätten sie uns schon lange gefunden. Und so lagen wir wieder da, in der Dunkelheit, der Regen tropfte auf die Plane, alles was wir anfassten war feucht und das war gerade erst der Anfang unserer Tour. Ich glaube wir alle waren uns insgeheim in diesem Moment sicher, dass es so definitiv nicht weitergehen würde und wir am nächsten Tag absteigen ins Tal. Es würde zwar schmachvoll sein, aber noch so eine Nacht hält keiner von uns aus.
Dabei hat die verzweifelte Frage "Timon, wie spät ist es??" immer noch gerademal ein "halb zwei!" ergeben. Wir versuchten, doch zu schlafen. Nickten kurz ein. Bis der Wind kam.
Es war unglaublich laut, er peitschte gegen unsere Plane. Es knatterte und krachte - bis wir irgendwann plötzlich im Freien lagen. Die Plane lag vor unseren Füßen und wir im Regen! Wir versuchten, unsere Konstruktion wieder aufzubauen, begleitet von vielen weiteren "Scheiße!", die Ausdruck unserer abgrundtiefen Verzweiflung waren.
Dann stand wieder alles, wir stiegen umständlich in unsere Schlafsäcke ein und hofften. Dass der Wind aufhören würde, der Regen, wir schlafen könnten, endlich Morgen sein würde, das durch die Nässe nichts kaputt gegangen war...
Der Wind nahm nicht ab, aber die Jungs dachten sich eine neue, robustere Variante unseres Zelts aus und bauten es um 4 Uhr nachts noch einmal um. Barfuß, im Regen. Und es war so kalt! 
Wir dachten nur daran, so schnell wie möglich von dem Berg herunterzukommen, alles zu trocknen und sauberzumachen, uns satt zu essen und endlich aufzuwärmen. Was für eine Scheiß-Idee, im Freien auf dem Berg zu schlafen!!!

Unser "Zelt", getestet und für unterirdisch schlecht befunden. © Timon