Montag, 1. April 2013

Das Dorf hat mich wieder

Wenn man eine Weile weg war, erwartet man irgendwie Veränderung. Ich weiß nicht warum, vielleicht weil man selber so viel Neues gesehen und gemacht hat.
Aber in diesem Dorf hat sich in den ganzen letzten Jahren kaum was getan, warum sollte ausgerechnet jetzt der Fortschritt Einzug halten? Es gibt immer noch keinen dm. Das Rathaus ist immer noch hässlich. Die Omas treffen sich immer noch an der selben Straßenecke.

Aber ich bin froh. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und ich besonders. Ich habe herrlich in meinem eigenen Bett geschlafen. Die Zimmertemperatur war genau richtig, bei angekipptem Fenster. Ich habe sofort wieder das kleine Bad in Beschlag genommen und mein Gerümpel überall verteilt. Endlich ist alles wieder so, wie es sein muss!

Die Reise war nicht weniger strapaziös als vor drei Monaten. Am Dienstag sollte ich fliegen, und am Samstag davor bekam ich heftigen Durchfall und Fieber. Mir tat jeder einzelne Knochen weh und später kamen auch noch starke Magenschmerzen dazu. 3 Monate ging alles gut, und kurz vor Schluss...? Ich hatte Angst, nicht fliegen zu können, oder im Flieger mit dringendem Bedürfnis vor einer besetzten Toilette zu stehen, oder irgendetwas Schlimmes nach Deutschland einzuschleppen was man mir übel nehmen würde. Irgendwie gelang es aber doch, mich bis Dienstag wieder so weit aufzupäppeln, dass der Reise nichts im Weg stand.

Diesmal war es mir wirklich wichtig, pünktlich zu kommen. Und diesmal erfuhr ich von der Verspätung schon direkt am Flughafen. Anderthalb Stunden später als geplant sollte der Flieger starten. Eine Begründung hat man uns nicht gesagt. Zu viel Sonne in Port-au-Prince?
Eine ganze Weile musste ich die Dame am zuständigen Schalter belästigen. Kann man den nicht irgendetwas tun? 1 Stunde Zeit zum Umsteigen in New York, das würde nie im Leben reichen! Alles was ich erreichte, war ein Platz weiter vorne im Flugzeug. Und die freundliche Zusicherung, dass sich um einen neuen Flug und ein Hotel gegebenenfalls gekümmert werde. Ich will aber kein Hotel! Ich will nach Berlin.

Noch in der Wartehalle, in der ich dann fast drei Stunden mich und mein Schicksal bedauerte, lernte ich zwei Deutsche, bzw. Österreicher kennen, die auch in New York umsteigen mussten. Sie munterten mich mit den Worten "Das schaffen wir eh nicht" auf.
Letztendlich starteten wir beinahe zwei Stunden später (weil sich die Leute aber auch nicht einfach auf ihre Plätze setzen können, was stehen die da noch im Gang rum, geht das nicht alles schneller???!!! Kram jetzt nicht noch in deinem Koffer rum, setz dich HIN! Mann den Sicherheitsscheiß kann doch jetzt wirklich jeder schon auswendig, STARTET!), nahmen aber irgendwie eine andere Flugroute oder so, auf jeden Fall sparten wir eine Stunde Flugzeit.
Es war kurz vor neun, als wir in New York landeten, und fünf vor zehn sollte mein Flugzeug nach London starten.

Im Trab hetzte ich aus dem Flugzeug die Gänge entlang, und wurde freundlicherweise gleich schon mit einem orangenen Pass begrüßt, der mir "Priority Access" gewähren sollte. Mit einem strahlenden Lächeln wurde ich an ellenlangen Schlangen vorbeigeführt und konnte sofort meine Fingerabdrücke nehmen lassen, mit Foto und allem was zu der Prozedur dazugehört.

Dann mussten wir auf unsere Koffer warten, aber die kamen und kamen nicht... Als es dann so weit war, war mein Koffer unter den ersten. Danke Gott! Ich hiefte den also vom Laufband, und ohne viel Gelaber kam ich auch durch den Zoll. Die eigentliche Schwierigkeit kam jetzt. Ich musste das Terminal wechseln, mit dem "Air Train", also einer Art Flughafen-S-Bahn.
Renn mal über den New Yorker Flughafen und finde unter den ganzen grünen, gelben, weißen und schwarzen Hinweisschildern die richtigen, die dich zu dem Air Train führen! Mir gelang es, meinen Mitreisenden leider nicht.

Als ich dann über viele Gänge, Fahrstuhl und was weiß ich nicht noch alles an dem Bahnsteig war, stand eine Bahn gerade da und war am Abfahren. Dass Nachdenken manchmal keine schlechte Sache ist, ging mir auf als ich drin war, die Türen sich schlossen und mir langsam klar wurde, dass ich in die falsche Richtung fuhr.
Und zwar aus dem Flughafen raus. Es dauerte eine Ewigkeit, bis die nächste Station erreicht war und ich wieder zurück fahren konnte. Ich musste allerdings sämtliche Terminals abfahren, bis ich letztendlich an meinem Ziel angelangt war. So vertändelte ich bestimmt 20 Minuten.
Den letzten Rest gab mir eine Gruppe älterer Herren, die an Terminal 4, als die Türen sich gerade schon schlossen, ihre Koffer dazwischenklemmten und ganz bequem nacheinander noch einstiegen, mehrmals mit dem Theater Tür schließt sich, Koffer dazwischen, Tür gewaltsam aufziehen, der Nächste bitte.
Das Ganze mit breitem Grinsen, während ich doch nur ENDLICH wollte dass es weitergeht.

Nach gefühlten Jahren des stillen Leidens war ich dann doch da, wo ich schon vor langer Zeit hätte sein sollen, und galoppierte wieder quer durch große Hallen. Atemlos stand ich dann vor dem Schalter, wo ich meinen Koffer wieder loswerden sollte, und musste mir anhören, dass das Boarding schon abgeschlossen sei. Was? Nach all dem?
"Man hat mir gesagt, wenn ich schnell bin, schaff ich das noch!", flehte ich den jungen Mann verzweifelt an. Der rief dann seine Chefin herbei. Während sie auf der Tastatur rumhackte, runzelte sie nur zunehmend die Stirn. "No...."
Och ne. Echt jetzt?

Ich weiß nicht, warum. Meine Connections nach oben? Schließlich sagte sie zu dem Mann doch: "Okay, RENN mit ihr zum Gate!" Juhu!!!

Jetzt galoppierten wir zu zweit über den Flughafen. Und dann kam der Sicherheitscheck.
Schuhe aus, Gürtel, Jacke, Tasche, Rucksack... Ich wollte nur schnell durch diesen Durchleuchtungsrahmen. Aber es piepte! Ich musste in einen anderen Kasten einsteigen. Allerdings war da schon jemand drin, und erklärte der Sicherheitsbeamtin, was er in der Tasche hatte. Für meinen Geschmack eindeutig zu viel, es dauerte. Schließlich dann doch ich. Wieder piepts. Nach noch einer ganzen Weile mit seltsamen Geräten waren sie schließlich zufrieden. Ich sprang in meine Schuhe, schnappte mir mein Zeug (und vergaß tatsächlich nichts), und rannte wieder los.

Schließlich führte mich mein Begleiter nur noch durch eine Menschentraube, an einen Schalter und ich durfte an Bord gehen. Wie erleichtert ließ ich mich in meinen Sitz fallen! Ich hätte es kaum für möglich gehalten, dieses Flugzeug wirklich noch betreten zu dürfen.

Der Rest lief dann wie geschmiert. Zwar plagten mich wieder heftige Magenschmerzen und Durchfall, aber gerade als ich dachte, wir fliegen jetzt über Russland, setzten wir zum Landeflug an in den deutschen Winter. Was für ein wunderbares Gefühl, als ich in Tegel an der Passkontrolle endlich wieder "Hallo" sagen konnte und man mir mit "Guten Tag" antwortete.

Und dann hatte ich auch endlich meine ollen Pappenheimer wieder! Und konnte mich über eine wunderschöne Ferienwohnung und richtig schöne Tage in und um Berlin zusammen freuen. Die erste warme Dusche, das erste Nutellabrötchen, der erste Apfel, und viele andere "Kleinigkeiten" waren alle ein Erlebnis für sich.

Über die Zukunft habe ich mir, wie es meine Art ist, natürlich schon mehr als genug Gedanken gemacht. Was nützt es mir? Letztendlich wird Gott meinen Weg lenken, und ich bin gespannt darauf.
Wobei ich wirklich hoffe, dass wir diesmal die selben Gedanken haben und ich bald in Berlin mein Vorpraktikum fürs Studium machen darf ;)