Montag, 21. August 2017

Leben in der 33A

Was haben zwei Eriträer, ein Finne, ein Slowene und eine Deutsche gemeinsam?
Nichts, außer dass wir zusammen in Norwegen leben.

Und wie ist das so?
Bis jetzt herausragend!

Wie, alleine mit vier Jungs?
So wie ich es liebe. Entspannt, unkompliziert, lustig. Kein Psychoterror, kein Gekreische über Spinnen (ich hatte noch keine), Platz im Eingangsbereich für meine Schuhe.

Wer macht am meisten Dreck?
Ich war gestern wandern und stand an einem Punkt plötzlich knietief im Schlamm. Dafür konnte ich nichts.

Wer macht sauber?
Es gibt einen festgelegten Putzplan, von ganz oben. Der wird auch jeden Montag kontrolliert. Letzte Woche war Kollege Antti aus Finnland dran und hat die Messlatte unerreichbar hoch gelegt. Da wurde gesaugt, gewischt, geputzt, geschrubbt und am Ende auch noch der Kühlschrank abgetaut. Diese Woche bin ich dran. Vielleicht backe ich einen Kuchen. Es gibt nichts mehr sauberzumachen!

Antti aus Finnland. Wer noch so?
Anze aus Slowenien, Kettenraucher, erwartet mit zitternden Knien den Tag an dem seine mitgebrachten Tabakvorräte zur Neige gehen. "Vielleicht höre ich dann mit dem Rauchen auf." Oder er steigt auf Snus um. Tabak in Norwegen zu kaufen ist keine Option. 
Awet aus Eritrea, Hausmutti. Das meiste Kochgeschirr kommt von ihm, auch die ganzen Putzmittel. Großzügig stellt er alles zur Verfügung. Er wohnt seit drei Jahren im Studentenhybel und wer Fragen zu fragen hat fragt ihn. Außerdem hat er das erste Haustreffen anberaumt und uns mit Pizza versorgt. Als ich einen Platten hatte, konnte er mir natürlich mit einer Luftpumpe aushelfen.
Mikael, auch aus Eritrea, fängt nicht mit A an. Kocht seinen Schwarztee direkt im Wasserkocher und stellt seinen Topf mit dem Rest Nudeln direkt wieder in den Küchen(nicht Kühl- !)schrank, um ihn am nächsten Tag von dort aus wieder zu erwärmen. Ansonsten ist er glaube ich ganz nett.
Und ich. Ich etabliere Dumpsterdiving als neuen Mannschaftssport in unserer kleinen Community. Ich habe als einzige mein eigenes Bad und bin daher etwas Besseres. Über das Büro bin ich über alle Vorkommnisse in der Stadt informiert und reiche sie brandheiß an meine Mitbewohner weiter - z.B. das am Samstag das größte Heringsessen der Welt in der Stadt stattfand, auf einer über 30m langen Tafel in der Fußgängerzone.

Was ist eigentlich Dumpsterdiving?
Ach ... 

Und warum ist das jetzt alles so herausragend?
Weil ich mich wohlfühle! Jeder ist darauf bedacht, das was er benutzt hat sofort wieder sauberzumachen. Alle sind offen und freundlich, es gibt keine Allianzen und kein Gestichel. Wenn ich in die Küche gehe, um mir kurz Milch zu holen oder Wasser aufzukochen, muss ich keine erzwungene Konversation halten, wenn ich keine Lust dazu habe. Ich kann aber. Ich erfahre einiges über ganz andere Länder als Norwegen - z.B. dass der Mindestlohn in Slowenien bei 4,65€ liegt und ein Stundenlohn von 8,50€ ganz schöner Luxus ist, oder dass es in Finnland immer noch die Wehrpflicht gibt und dort ein Haufen gutes Essen weggeschmissen wird, weil die Rationen so übergroß bemessen sind. Letzten Freitag war unser erstes gemeinsames Treffen und es war so gemütlich. Awets Pizza, mein Gemüseteller, ne Flasche Cola - mehr braucht es nicht. Hinterher war alles blitzschnell aufgeräumt und saubergemacht und es wurde Schach gespielt/dabei zugeguckt. 

Gibt es auch was das nervt?
Jeder Tropfen den die Kloschüssel empfängt kann überlaut von allen im Haus mit angehört werden.

Ok, noch was Erbauliches zum Abschluss?
Presten. Da war ich gestern, die Rundtour dauerte etwas länger als geplant und zweimal hatte ich mich verlaufen, aber ansonsten war es wunderschön und hat erst geregnet als ich fast wieder zu Hause war. 







Dienstag, 8. August 2017

Anfang, Brunost, Cider, ...

Aller Anfang ... in den ersten beiden Tagen kam ich mir erstmal doof vor. Ich hatte bis jetzt noch keine richtige Aufgabe, keinen eigenen Schreibtisch, ich kenne mich nicht aus, die Leute kennen mich nicht, ich kenne sie nicht. Ich verstehe gar nichts, wenn sie sich untereinander unterhalten und alle mir eingeschlossen sind eigentlich nur gespannt darauf, was das aus uns wohl wird. Aber ich bin guten Mutes, dass es aufwärts gehen wird!

Brunost, den süßen Käse, habe ich heute endlich probiert. Ich hatte mehr erwartet. Er schmeckt weder besonders gut, noch besonders schlecht, erinnert am ehesten noch an Schmelzkäse-Scheiben. Ich kann mir nicht vorstellen, den mit Marmelade zu essen und es wird definitiv nicht mein neues Lieblingsessen, auch wenn man mir erklärte, dass ich nur jeden Tag Brunost essen müsse, um zu einem echten Norweger zu werden.

Cider und Bier und Wein und Sekt haben mir meine fürsorglichen Kollegen am Samstag zum Festival in rauen Mengen in die Hand gedrückt. Eigentlich war ich schon nach dem Vorglühen bei einem Kollegen gut bedient, aber auch dort auf dem Gelände spendierte man mir ohne Ende. Dementsprechend litt ich Sonntag ein wenig.

Dänisch, finnisch, eritreisch und isländisch sind meine Mitbewohner, die ab nächster Woche kommen werden. Scheinbar haben sie alle Ausländer in ein Häuschen gepackt, ich bin gespannt auf sie!

Echte Kronen hatte ich noch gar nicht in der Hand. Hier wird alles mit Kreditkarte bezahlt, jeder Kleinstbetrag überall.

Festivalzeit! Im August finden nicht weniger als 3 Festivals in Haugesund statt, das in Vangen habe ich schon miterlebt. Ab morgen gibt es außerdem ein Jazzfestival und in zwei Wochen ein Filmfestival. Nirgendwann anders ist das Städtchen so in Aufruhr wie zu dieser Zeit und ich freue mich auf viele neue Eindrücke.

Grønnsaker sind in Norwegen echt teuer. Kartoffeln 4€ je anderthalb Kilo. Ein Eisberg 1,50€. Eine Gurke 1,70€. Tomaten 3€/Kilo. Da denke ich mit Wehmut zurück ans Maybachufer, andererseits gewöhnt man sich auch wahnsinnig schnell an die neuen Dimensionen und zuckt nicht mehr ganz so oft zusammen.

Haugesund ist wahnsinnig schön. Berge und Meer sind gerade einmal zwei Kilometer voneinander entfernt, das heißt je nachdem worauf ich Lust habe gehe ich von der Haustür aus entweder nach links oder nach rechts. An den Hängen drängen sich vor allem weiße Holzhäuser aneinander, zwischendrin gibt es viele verwinkelte Gassen, echte Abkürzungen für Fußgänger und Fahrradfahrer wenn man sie denn entdeckt.

Iversen Skogen ist der coolste Arbeitgeber den ich jemals hatte. Nach genau 8 Stunden werden hier die Taschen gepackt und die Heimwege angetreten, vom Lunsj erzähle ich noch, es gibt eine Tischtennisplatte, ständig gemeinsame Ausflüge, viel Gewitzel auf Snapchat und Slack, einem anderen Chatprogramm auch nach Feierabend. Es herrscht eine extrem gute, freundschaftliche Atmosphäre. Ich bin stolz, dazuzugehören.

Jede Menge kreischende Möwen gibt es hier, die zusammen mit dem Wind und dem Meer konstant für Urlaubsstimmung sorgen. Schön!!

Kaffee wird tatsächlich in Unmengen konsumiert, morgens, mittags, abends, aus zwei großen Thermoskannen die im Büro stehen und ständig neu gefüllt werden. Es war eine der ersten Fragen am Montagmorgen, ob ich Kaffee mag. "Ja." "Gut!" - schon hatte ich die erste Probe bestanden. Allerdings wird hier ausnahmslos schwarz getrunken, mit meiner Milch stehe ich alleine da. Deutsche Unsitten, wird man sich denken.

Lunsj ist echt herausragend herrlich! Pünktlich um elf wird der Tisch im Büro gedeckt und mit frischem Brot, Fleisch, Käse, Marmeladen, Joghurt, Orangensaft, Knäckebrot und anderen norwegische Besonderheiten, die ich noch nicht alle erfasst habe, vollgeladen. Dann kommen alle zu einer kleinen Mittagspause zusammen. Das ist so gemütlich und schön! Und die Zeit wird nicht von der Arbeitszeit abgezogen, was aber auch niemand ausnutzt.
Abendessen gibt es in Norwegen dann übrigens traditionell gegen 17 Uhr, also auch ziemlich früh. Ich finde, daran kann man sich gut gewöhnen.

Manche Mechanismen musste ich mir erst durch viel logisches Denken erschließen. Die Klospülung drückt man z.B. nicht, sondern man zieht einen kleinen Knüppel nach oben und schiebt ihn dann zum beenden wieder zurück. Beim ersten Mal stand ich eine Weile ratlos davor! Türenschließen war und ist auch eine echte Herausforderung. Erstens wird der Schlüssel im Schloss nicht rumgedreht und dann rausgezogen, sondern nur eine Vierteldrehung im Uhrzeigersinn, dann zurückgedreht und dann herausgenommen. Außerdem sind die Türen hier im Studentbolig alle Brandschutztüren, das heißt man muss sie mit sehr viel Nachdruck zuknallen damit sie wirklich einrasten und schließbar werden. Dafür brauche ich manchmal 10 Anläufe und bin froh, dass ich bis jetzt erst einen Mitbewohner habe der sehr gutmütig und meistens nicht zu Hause ist.

Norwegisch - ich arbeite jeden Tag mit Hochtouren daran, dieser Sprache Herr zu werden. In den Details ist sie doch sehr trickreich und es gibt viele Regeln zu beachten, die mit ebenso vielen Ausnahmen außer Kraft gesetzt werden. Lesen geht tatsächlich schon ganz gut, zumindest kleinere Passagen kann ich mir erschließen. Sprechen wage ich noch kaum, aus Angst es falsch zu machen (dabei gibt es eigentlich gar keine Ausspracheregeln). Verstehen kann ich leider fast gar nichts, was ziemlich deprimierend ist wenn man einem angeregten Wortschwall konzentriert zuhört und nichtmal ansatzweise herausbekommt, worum es denn eigentlich geht. Da muss ich mir noch irgendeine Herangehensweise überlegen.

Ordnung ist das halbe Leben, und deshalb gibt es einen festgesetzten Putzplan für unser Häuschen, und jeden Montag wird von oben kontrolliert, ob alles saubergemacht wurde. Das Erzieherische nervt ein bisschen, andererseits ist es wesentlich sauberer als zu Hause im anarchistischen Neukölln.

Polizeiöffnungszeiten - wochentags von 9 - 14 Uhr, am Wochenende zu. Ganz schön gemütlich, und blöd wenn man dort hinmuss um die obligatorische persönliche ID zu beantragen.

Quer über die Straßen führen überall und ständig Fußgängerüberwege, und alle Autos halten auch brav an (egal ob zu Fuß oder Fahrrad). Eine Ampel ist mir dafür bis jetzt noch gar nicht begegnet.

Ross heißt mein englischer Kollege, der seit 7 Jahren in Norwegen wohnt und eine norwegische Familie hat. Es sprechen immer noch alle englisch mit ihm, und irgendwie laufen innerhalb des Büros plötzlich Wetten, wer es nun innerhalb der drei Monate schneller lernt - er oder ich. Mein Ehrgeiz ist natürlich entfacht.

Snus ist die seltsamste norwegische Eigenart, die ich bis jetzt kennengelernt habe und ist eine Alternative zum rauchen. In einer Schachtel wie von Pulmoll befinden sich Mini-Teebeutelchen, die sich extrem viele Menschen oberhalb der Zähne zwischen Zahnfleisch und Lippen schieben und dort eine dreiviertel bis zwei Stunden behalten. Das Säckchen soll wohl prickeln, konstant Nikotin-Geschmack abgeben, ungesünder sein als echte Zigaretten und wird nach dem Gebrauch in den oberen, abgetrennten Teil der Dose gespuckt und bei manchen sofort wieder durch ein neues ersetzt.

Trønd-Arne ist ein Kollege, der einige Zeit in Deutschland (bzw. München) gelebt hat und ziemlich gut Deutsch spricht. Das ist ganz cool, zwischendurch mal für ein paar Minuten ein Gespräch auf Deutsch zu führen.

Unter 10 Minuten brauche ich, um zur Arbeit zu kommen. Es sind knapp 2 Kilometer, und geht eigentlich nur bergab - 40 Höhenmeter. Der perfekte Start in den Tag, und eine wunderbare Abwechslung zum Berliner Leben, wo die meisten Wege mindestens eine dreiviertel Stunde dauern, egal wohin.

Vangen hieß das Festivalgelände von Samstag, und es war mitten im Wald. Bei den konstanten Regengüssen auch reichlich schlammig, am Sonntag schrubbte ich eine halbe Stunde lang meine Stiefel. Als wir geschlossen zum Festival marschierten, kamen wir an einem festgefahrenen Auto vorbei. Ohne zu zögern schob es Kjetil, einer meiner Chefs an, und letztendlich vereinten wir die Kräfte aller Mitarbeiter, um das Gefährt wieder freizubekommen, mit Erfolg. So funktioniert  Teambuilding!

Waschbecken war verstopft, von Anfang an. Das Wasser lief immer schlechter ab und am Sonntag gar nicht mehr, was mir echt schlechte Laune gemacht hat! Ich rechnete damit, mindestens für den Rest der Woche das Waschbecken nicht mehr nutzen zu können und wenn etwas technisches/mechanisches nicht funktioniert nervt mich das immer ganz besonders. Umso glücklicher war ich, als ich Montag nach meinem ersten Arbeitstag nach Hause kam und einen Zettel an meiner Tür entdeckte, dass es wieder in Ordnung sei! Nach meiner e-Mail hat der Hausmeister das Problem sofort behoben, und außerdem auch noch meine Lüftung gereinigt, die jetzt definitiv nicht mehr quietscht und scheppert. Ich liebe Hausmeister!

Zeit habe ich irgendwie in Massen. Vielleicht liegt es daran, dass ich noch keinen Büchereiausweis habe und Lesestoff, der mir die Abendstunden verkürzt. Oder weil es viel länger hell ist als noch letzte Woche. Oder weil ich so pünktlich zwischen 4 und 5 nach Hause gehen kann. Oder weil ich in dieser neuen, andersartigen Gegend einfach nicht zur Ruhe kommen will. Jedenfalls unternehme und erledige ich abends noch richtig viel und es fühlt sich bei Weitem nicht so an als sei der Tag nach Feierabend zu Ende. Und so sah es gestern bei meinem Feierabendspaziergang aus:








Freitag, 4. August 2017

Keine 24h in Norwegen ...

... und schon reihen sich die kuriosen, abgefahrenen und neuartigen Erlebnisse aneinander.

Es fühlte sich gestern Abend schonmal wie ein Sieg an, die Reißverschlüsse meiner beiden Koffer zubekommen zu haben und auf der Waage jeweils knapp unter der erlaubten 23 Kilo-Marke gelandet zu sein. Dafür musste ich dann aber auch an allen Schräubchen drehen; zog mir die Wanderbotten und meine Winterjacke an (war ja auch gar nicht schwül-heiß gestern) und verstaute einige schwere Gerätschaften im Handgepäck und der zusätzlich auch noch erlaubten "kleinen" Handtasche.
Eigentlich wollte ich ja ein Paket voraus schicken und nur einen Koffer mitnehmen, der Karton bog sich aber fertig gepackt so verdächtig durch dass ich mir schon mit allen Details ausmalte, wie er irgendwo auf dem Weg zusammenbrechen und meine gesamten Habseligkeiten unwiederbringlich verteilen würde. Dafür hänge ich zu sehr an meinem Krempel und quälte mich deshalb eine geschlagene Stunde durch Telefon-Warteschleifen um mir ein 2. Gepäckstück dazuzubuchen.

Das alles in Tegel ans Gate zu befördern lastete uns gestern Abend zu dritt schon voll aus, alleine sah ich damit einfach bemitleidenswert aus. Später mehr dazu.
Die gerade losgewordenen Koffer musste ich nach Landung in Oslo dann wieder an mich nehmen und durch den Zoll bringen. Dann schleppte ich mich zu den Check-in-Schaltern und musste feststellen, dass dort schon Feierabend war. Keiner mehr, der mir die 45 Kilo wieder hätte abnehmen wollen. Also musste ich mein Nachtquartier mit den Koffern, auf den Koffern aufschlagen. Ich bettete mich in einer Flughafenecke auf den Koffern umschlang die Griffe der Handgepäckstücke fest und hatte den Vorsatz, zu schlafen. Das klappte nicht, aber wenigstens fuhr die Kehrmaschine einen Bogen um mich herum und ich konnte eine Weile so liegen bleiben und den Geräuschen eines mehr oder weniger heruntergefahrenen Flughafens voller herumgeisternder Transitfliegern lauschen.

Heute um elf ging es dann endlich weiter und ehe wir richtig in der Luft waren setzten wir schon wieder zum landen an. Und das war vielleicht majestätisch, über das tiefblaue Meer, schroffe Felsen und drumherum weiße Schaumkronen in Haugesund einzufliegen! Ein schöner Moment. Der Flughafen in Haugesund ist so klein und kaum ernstzunehmen, wie man sich das vom Ziel einer Reise und Beginn eines Abenteuers wünscht. Ein paar Minuten Shuttlebus später stand ich vor dem Haugesunder Krankenhaus und startete den letzten Teil meines Plans, der vorsah dass ich die anderthalb Kilometer zum Wohnheim, die auf Googlemaps wirklich nicht nach viel aussehen, eben beherzt zu Fuß zurücklege. Da ich wie gesagt eine jämmerliche Figur mit den vier, mein Eigengewicht überschreitende Gepäckstücken abgab, ging ich keine zehn Meter bevor mir doch tatsächlich eine Norwegerin einfach aus dem Auto heraus anbot, mich zu fahren. Ohne viel Geplänkel machte sie Platz in ihrem kleinen Auto, tippte meine Adresse in ihr Navi und los gings. Was für ein Segen! Ich war nämlich nicht nur unendlich langsam, sondern auch voll in die falsche Richtung unterwegs gewesen. Am Ende kannte sie dann auch noch einen von Iversen Skogen und beteuerte mir, wie nett die da seien - "you are very lucky!". Dann brauste sie weiter.
Glück habe ich mit dieser Agentur wohl allerdings!
Denn als man mir mein Zimmerchen für die nächsten drei Monate zeigte, stand da einfach mal schon ein absolut schniekes Rennrad, ein Pott Blumen und diverse Kleinigkeiten wie Regenschirm, Regencape oder Lakritz, die man in Haugesund wohl zum überleben braucht. Von meinen zukünftigen Kollegen! Also einfach so von jemandem ans Wohnheim kutschiert zu werden hat mich schon echt umgehauen, aber das war die Krönung von allem. Dass einem kleinen blöden, ausländischen und bis jetzt komplett unbekannten Praktikanten so viel Wertschätzung entgegengebracht wird! So ein Aufwand, damit ich mich hier wohlfühle! Ich bin wahnsinnig gespannt wie es sich anfühlen wird, Teil dieses Teams zu sein und mitarbeiten zu dürfen. Ich hoffe, dass sich der Einsatz für Iversen Skogen lohnt und sie mit mir zufrieden sein werden.

Bevor ich meine Koffer auspacken konnte, musste ich auf jeden Fall erstmal eine Runde auf dem Bike drehen, zumal auch noch völlig untypischerweise die Sonne wie verrückt schien. Das war herrlich! Die Gangschaltung hat mir genau 3 Sekunden gefehlt, danach war es einfach nur berauschend, wie schnell man mit so einem Fahrrad fahren kann. Und wie schnell ich mitten im Grünen, an einem See, einem Wasserfall, im Wald und wieder in der Stadt war. Es ist wunderschön hier. So viel Gegend. Als ich auf dem Rückweg dann noch an einem Supermarkt rangefahren bin, trat das ein, was ich die ganze Zeit schon erwartete: ich traf jemanden von Iversen Skogen, der mich am Fahrrad erkannte. Lustig!
Und morgen lerne ich sie alle kennen, wenn wir uns erst bei einem Kollegen zum "vorglühen" treffen und dann zu dem Festival gehen, für das die Agentur das Erscheinungsbild entwickelt hat. Damit ich nicht mit zu vielen fremden Gesichtern auf einmal konfrontiert werde, trifft sich eine Kollegin vorher mit mir zum Mittagessen. So nett!!! Ich bin sehr froh, dass ich gestern noch eine Flasche Berliner Luft eingekauft und heil hierher gebracht habe. Das wird die trinkfreudigen Norweger hoffentlich freuen.

Mein Zimmer war anfangs (bis auf das Fahrrad) sehr sehr karg, jetzt habe ich mich ein bisschen eingerichtet, trotzdem ist es noch ein bisschen komisch. Klar, dass man sich nicht sofort zu Hause fühlt. Mein Zimmer ist auf Bodenniveau, ich schaue auf eine Wiese, was eigentlich ganz schön ist, aber es kommt nicht so sehr viel Sonnenlicht herein. Es krabbeln einige kleine Tierchen herum, bzw. finde ich sie ständig reglos irgendwo in der Ecke liegen. Noch stört mich das nicht.
Die Lüftung im Bad hat mich wirklich wahnsinnig gemacht, weil sie permanent am quietschen/pfeifen war. In meiner Verzweiflung habe ich mich über das Klo dort hochgeangelt, und einfach daran gedreht. Hat geholfen, jetzt ist (erstmal) Ruhe. Reparieren - kann ich offensichtlich.
Meine Mitbewohner habe ich noch nicht kennengelernt, das kommt dann hoffentlich morgen. Gemeinsam teilen wir uns zu fünft ein Häuschen und eine Küche, die ganz ordentlich aussieht.
Brennend interessiert haben mich die fremden Supermärkte, sodass ich heute schonmal derer zwei erkundet habe. Das war spaßig, aber auch mit viel wundern verbunden. Warum müssen die günstigsten Äpfel 3€/Kilo kosten, warum gibt es 27 Sorten Milch (ich übertreibe nicht und habe Kefir und Buttermilch noch nicht mit eingerechnet), aber kaum Joghurt und keinen Quark, warum stehen normale Haferflocken bei den Backzutaten und warum gibt es keine Hirse? Den berühmten Brunost, süßer Käse der aus Kuh-/Ziegenmolke hergestellt wird, habe ich noch nicht gefunden, dabei möchte ich unbedingt wissen wie der nun schmeckt. Bestimmt werde ich in nächster Zeit aber noch viele kulinarische Kuriositäten entdecken, ich berichte.

Jetzt bin ich todmüde, mir fehlt ein Buch (das mit der Bücherei muss ich bald mal regeln) und ich bin wahnsinnig gespannt auf morgen. Alles in allem war es ein sehr sehr positiver Tag voller cooler Überraschungen. Ich habe ein gutes Gefühl für die nächste Zeit!