Montag, 2. März 2015

Im Westen nix Neues?

Vor vier Monaten gab es den letzten Blogpost. Ist seitdem nichts passiert?
Eher im Gegenteil. Es ist so viel passiert, dass ich gar nicht so schnell mitschreiben konnte. Vier meiner Lieblingsmenschen sind in greifbare Nähe gezogen. Das erste Semester von acht ist einfach so vorbeigegangen. Ein neues Jahr hat begonnen.

Studiererei

Der Februar war anstrengend. Wie das zu Semsterende hin so ist, mussten eine Menge Projekte fertiggestellt werden. Wir hatten ein Schriftmusterheft zu erstellen, in dem wir eine Schrift vorstellen. Wir mussten eine Mini-App/Website schreiben. Wir hatten eine Mappe mit allen Zeichnungen des Semesters abzugeben. Wir sollten das Layout einer Zeitungsseite erstellen. Wir mussten eine Semesterdokumentation schreiben. Und am besten alles gleichzeitig. Und drei Prüfungen gab es auch noch.
Es war stressig, und die Wochenenden voll. Es gab Momente, in denen habe ich gedacht ich werde das alles nicht schaffen, es ist sowieso Mist und was soll das überhaupt. Aber meistens hat es sich gut angefühlt! Zu arbeiten, vorwärts zu kommen, langsam Ergebnisse zu sehen. Bis ein Uhr morgens an einem Projekt zu arbeiten, was an diesem Tag präsentiert werden musste. Und dann eben so richtig studentenmäßig über das alles stöhnen zu können. Klasse!
Seit dem 24. Februar ist alles geschafft und ich habe endlich wieder Zeit für schöne Sachen, die die ganze Zeit unter den Tisch gefallen sind. Ausweis verlängern. Fenster putzen. Zahnarzt ... :) Aber auch wirklich schöne Sachen. Zu Mama und Papa fahren, stundenlang ein Buch lesen, Menschen treffen die ich schon wieder monatelang nicht mehr gesehen habe.

Wie ist das Studium denn so allgemein? So gut wie ich gehofft hatte und viel besser als befürchtet. Meine Kommilitonen sind keine arroganten Künstlertypen die alle schon viel mehr wissen als ich, sondern jeder hat auf einem anderen Gebiet seine Stärken und Schwächen. Viele haben zwar schon eine Ausbildung abgeschlossen, aber trotzdem gibt es keine Überflieger.
Mir fällt immer wieder auf, dass Studieren ganz anders ist als Schule. Es würde zum Beispiel kein Professor auf die Idee kommen, jemanden die Tafel/das Whiteboard putzen zu lassen. Man respektiert uns viel mehr! Außerdem hat man wirklich das Gefühl, dass es den meisten Professoren tatsächlich darauf ankommt, uns etwas beizubringen und nicht einfach den vorgegebenen Lehrstoff durchzukauen. Sie nehmen sich für jeden Zeit und geben viel Rückmeldung.
Die Ausstattung ist natürlich allererste Sahne. Es stehen unzählig viele Macs auf unserer Etage herum, dazu gibt es Druckstudios (digital und analog), ein Fotostudio und -labor und eine Fotoausleihe mit vielen schönen Sachen.
Kurz gesagt: ich fühle mich wohl mit diesem Studium. Es ist das richtige für mich!

Vor dem letzten Semester war ich grundlos nervös, trotzdem bin ich jetzt mit Blick auf das kommende Semester wieder nervös! Und zwar richtig.
Alle, die es hinter sich gebracht haben, sagen dass das zweite Semester das härteste von allen sein wird. Die Kurse werden schwieriger, die Projekte anspruchsvoller. Außerdem werden die Professoren ihre Standards anheben, weil im Sommer die Werkschau, der Tag der offenen Tür, stattfinden wird und sie gute Arbeiten zeigen möchten. Die Kritik wird dann härter und die Erwartungshaltung größer.
Außerdem werde ich Fotografie haben. Eigentlich hatte ich mich darauf gefreut, aber die Kommilitonen, die Fotografie schon in diesem Semester hatten erzählen nur Schlimmes. Der Professor soll ein echtes Ekel sein, hat seine ganz eigenen Vorstellungen von guten Fotos und wer die nicht erfüllt wird gnadenlos heruntergemacht. Sie erzählen, dass in dem Kurs immer betretenes, ängstliches Schweigen herrschte. Außerdem will er immer alles in Topqualität ausgedruckt haben, wodurch mehrere hundert Euro Materialkosten zu stemmen sind. Schlussendlich sind die Aufgaben, die er stellt immer extrem zeitaufwändig, weil extra Shootings dafür organisiert werden müssen und man erstmal die ganzen Leute dafür auftreiben muss.
Das lässt mir keine Ruhe und hindert mich im Moment noch daran, wirklich mal abzuschalten und Freizeit zu genießen. Ich möchte 1000 Dinge erledigen, damit ich sie nicht während des nächsten Semesters tun muss. Abends im Bett überlege ich, wie ich die Aufgaben, von denen ich jetzt schon weiß dass wir sie bekommen werden, lösen könnte.
Am liebsten würde ich mal wieder auf einen Berg steigen, weg von allem, richtig durchatmen und nur über den nächsten Schritt nachdenken. Nicht über das, was in fünf Wochen sein könnte.
Vielleicht ist auch mal wieder Vertrauen angesagt. Darauf, dass Gott mich auch im nächsten Semester so tragen wird wie er es in diesem getan hat. Stattdessen mache ich mir auf mündlich überlieferte Schauergeschichten hin so einen Kopf. Man man man ... Ich kann es aber auch nicht abschalten.

Alles Andere

Traditionell denkt man ja am 31. Dezember ein bisschen über das vergangene Jahr nach. An diesem 31. konnte ich es kaum fassen, mit wieviel Veränderung und Segen Gott uns 2014 überschüttet hat. Vor zwei Jahren hätte ich die Lebenssituation, in der ich jetzt bin, nie für möglich gehalten. Ich wohne in Berlin, mitten drin. Ich habe einen Ort, an dem ich mich regelmäßig verausgaben und sportlich betätigen kann. Klingt banal, ist aber für mich unglaublich wichtig geworden, als Ausgleich zum Rest. Mein Bruder wohnt direkt nebenan. Meine Familie wohnt ein bisschen undirekter nebenan, aber immer noch total nah. Studiumsplatz, Ausbildungsplatz, Arbeitsplätze. Neue Wohnungen/Zimmer. Es ist alles so unglaublich perfekt gekommen und hat alle Wünsche, Hoffnungen, jedes gedankliche "Was wäre wohl wenn ..." weit übertroffen! Ab und zu wird mir das wieder bewusst. Und ich kann jedes Mal nur staunen. Danke Gott! Wer weiß, was er noch alles geplant hat.

Gedankenblitze

Noch drei Kleinigkeiten der letzten Zeit, von denen ich euch gerne erzählen möchte.

Neulich waren ich und mein Bruder in der Ostsee baden. Es hatte drei Grad und war so eine Sache für das Ego ... Das wird man seinen Enkeln noch erzählen.
Jedenfalls stürmte es an dem Wochenende heftigst und Schnee fiel auch noch. Aber genau in den zwei Minuten in denen wir im Wasser waren, schien die Sonne. Das hat so einen Unterschied gemacht, es kam einem zwar nicht annähernd warm, aber viel weniger schrecklich kalt vor als die ganze Zeit davor, als keine Sonne schien. Ich hatte so sehr das Gefühl dass Gott unseren Blödsinn gesehen und selbst da aufgepasst hat, dass es uns nicht zu kalt wird. Deswegen mal schnell ein Loch in der Wolkendecke. So wie Eltern das eben machen.

Die Perspektive mal wieder gerade rücken: ich habe neulich mit einem Obdachlosen gesprochen, der einen richtigen Hass auf die Ordnungsleute der BVG hatte. Sie handeln zwar nur auf Order hin, aber sie treiben die Obdachlosen sehr forsch und unfreundlich aus den U-Bahnhöfen heraus in die Kälte. Manchmal könne er vier Nächte nicht schlafen, weil er nirgendwo einen warmen Platz findet, meinte er. "Seit ich 10 war wurde ich von meinem Vater vergewaltigt. Die sollen sich mal überlegen warum man so kaputt ist!" Was soll man dazu noch sagen.

Eine andere Begegnung. Da war eine Frau, völlig zugedröhnt. Sie hat alle genervt, weil sie ständig gellend "Hallo, Hallo, Hallo!!! Haaaallo!", gerufen hat und irgendetwas wollte. Mehr Süßigkeiten, einen Kaffee, die Suppe schmeckt nicht, eine Zigarette. Sie war so fertig, sie konnte nicht mal mehr richtig stehen, als ihre Zigarette runtergefallen ist musste man sie ihr aufheben, weil sie das selbst nicht mehr hinbekommen hätte. Sie saß etwas abseits von unserem aufgebauten Essen, hat aber eben ständig gerufen und man sollte ihr dann irgendetwas bringen. Wir waren wirklich schwer genervt, auch wenn wir ja wussten, dass sie so auf Drogen war und im Prinzip nichts dafür konnte. Irgendwann ist sie dann aufgestanden und hat sich verabschiedet. Alle haben aufgeatmet. Und dann verließ sie uns schwankend und sagte noch im Gehen "So, muss nach Hause. Hab ein Kind im Bauch!"
Wieviel Elend.