Montag, 6. Mai 2019

Von Ostern, Ordnung und Orientierung

Es ist fast neun Uhr abends, ich sitze in meinem schönen Zimmerchen und denke überhaupt nicht daran, eine Lampe anzumachen. Es ist hell, nicht nur wegen der vielen Fenster. Die Sonne geht spät unter, und selbst wenn sie weg ist ist es nachts immer noch schummrig bis sie bald schon wieder da ist. Ich bin ja noch in gemäßigten Gefilden, bei weitem noch nicht im hohen Norden, und die Tage sind auch noch nicht am längsten, trotzdem finde das viele Licht bemerkenswert. Und bin müde.

War nicht gestern noch Ostern?
Es war jedenfalls herrlich, der Ausflug in die Heimat und in die Kindheit. Genau so viel Sonne und Wärme wie ich es mir sehnlichst gewünscht hatte. Draußen sein, sich um wenig kümmern, Wald der aus den Socken rieselt, Sonnenbrand und blaue Flecken, Käsekuchen, stricken am zitronengelben Gute-Laune-Pullover, abends kaputt und frisch geduscht auf dem Sofa landen, Familie.



Ich habe das Intermezzo maximal ausgekostet, erst an meinem ersten Arbeitstag nach diesen Ferien bin ich morgens wieder zurück nach Oslo geflogen. 4 Uhr 30 aufstehen, 7 Uhr 30 abheben, 10 Uhr 30 am Schreibtisch landen, rechtzeitig zur Mittagspause. Das hätte man mal vor wenigen Generationen jemandem erzählen sollen, dass sowas heute möglich ist. Der Kopf braucht trotzdem etwas länger um hinter diesem rasanten Szenenwechsel hinterher zu kommen.

Nach diesem Arbeitstag bin ich dann zum ersten Mal nach Hause gekommen – in eine eingerichtete Wohnung, in der es nicht mehr wie Kraut und Rüben aussieht. Das wurde in einem dreitägigen Kraftakt vor dem Osterurlaub geschafft, mit übermenschlichem Einsatz. Ich verstehe immer noch nicht, wie und warum meine Eltern das gemacht haben. Zwei Tage Reise, zwei Tage schleppen, bauen, Ikea, Chaos, zweifelhaft von mir bekocht werden, nur einen knappen Tag durchpusten und wenigstens einen kurzen Blick auf Norwegen werfen. Danke.

Mit der Fähre zu Sonnenuntergang Oslo verlassen – kann man mal machen.
Mein toller Retro-Schreibtisch und der noch nicht neu bepolsterte Retro-Stuhl

Die Kindercouch, die es nach Norwegen geschafft hat. Und immer noch gut aussieht.

Letzte Woche habe ich meine Bank ID bekommen. Wunder geschehen! Jetzt geht das Leben los.

So ganz langsam verschwindet der Schnee aus den Bergen, endlich (wobei es diese Woche hier, mitten in der Stadt, neu geschneit hat). Ich habe mich prompt schon in die eine oder andere Wanderung gestürzt, die oft aus mangelndem Orientierungssinn sehr ausarten. Nach zwanzig Kilometern finde ich selbst norwegische Berge nicht mehr schön.
Aber bis jetzt habe ich noch immer wieder zurückgefunden.




Nicht aller Schnee ist weg.
"Velkommen til Bydel Grünerløkka." Mit ein paar Wochen Verzögerung bekomme ich nach meinem Umzug eine Willkommens e-Mail meines neuen Stadtviertels. Darin stehen viele nützliche Sachen – wo ich meinen Müll entsorgen kann und sollte, was es mit Parkausweisen auf sich hat usw. Ein überraschender Service.

Ein anderer positiver überraschender Service ist eine Alternative zur hiesigen Post, die ich kürzlich ausprobiert habe. Man gibt online die Empfängeradresse an, erhält einen Code und schreibt diesen auf das Päckchen, das man dann einfach vor die eigene Wohnungstür auf die Fußmatte legt. Die Zeitungsleute sammeln das dann ein, man selbst und der Empfänger bekommt Status-Updates per SMS und es kommt tatsächlich sehr schnell und im Vergleich günstig am Bestimmungsort an.
Manchmal fühlt sich Norwegen doch etwas fortschrittlich an.